BÄRENJAGD

 

 

Helomee ist ein süßes, kleines Jägerpurzel. Zumindest, möchte sie mal Jägerin werden. Vor einiger Zeit war sie aufgebrochen, um einen Bären zu jagen. Er war gefürchtet weil er keine Scheu hatte Siedlungen aufzusuchen. Die Grenzer waren mit ihren Holzknüppeln einer solchen Bedrohung nicht gewachsen. Helomee hatte von Heldentaten abenteuerlustiger Purzel gehört und war neugierig ein Abenteuer zu erleben.

 

 

Sie tapste durch den Wald und suchte nach einem riesigen Bären oder Spuren von eben diesem. Nach mehreren Stunden konnte sie jedoch nichts dergleichen entdecken. Mit der Zeit wurde Helomee sehr hungrig. Sie sammelte einige Zweige, um ein Feuerchen zu machen. Helomee wollte sich einige Würstchen braten und etwas Tee brühen. Die Würstchen hatte sie dafür auf einen Holzspieß gesteckt und über die Flammen gehalten. In ihrer Freude über die schmackhafte Mahlzeit, vergaß sie ihr Abenteuer. Das Wasser brodelte und die Würstchen waren auch beinahe gar. Sie bemerkte nicht das Knacken einige Äste in der Nähe. Auch hörte sie nicht das leise Rascheln, welches sich ihrem Lager näherte.

 

Plötzlich erschrak die kleine Helomee. Ein riesiger Bär bäumte sich vor ihr auf und begann furchterregend zu brüllen. Sie war so überrascht, daß sie die Flucht ergriff. Als sie aufsprang, stieß sie unbeabsichtigt den Wasserkessel um. Den Spieß hingegen, hielt sie fest in ihren Händchen. Mit überaus flinken Beinchen wetze Helomee in einem beachtlichen Tempo davon. Der Bär, der vermutlich durch den appetitlichen Duft angelockt wurde, folgte ihr aber nicht. Stattdessen hüpfte er auf einem Bein herum. Helomee hat das bei ihrer Flucht bemerkt, weil sie ständig hinter sich blickte, um die Gefahr besser einschätzen zu können. Als sie eine gewisse Distanz zum Bären erreicht hatte, blieb sie stehen, um den Bären zu beobachten. Dieser schien zu tanzen. Helomee war noch immer hungrig. Ihr Bäuchlein knurrte. Sie wollte gerade von einem Würstchen abbeißen, da nahm der Bär nun doch die Verfolgung auf. Ohne ihre leckeren und wohlriechenden Würstchen essen zu können, rannte Helomee nun wieder davon. Sie rannte aus dem Wald hinaus. Der Bär folgte ihr. Sie flitzte über eine Wiese. Der Bär folgte ihr. Sie sprang über einen Bach. Der Bär folgte ihr noch immer. Sie kletterte über einen Steinhügel. Auch über dieses Hindernis folgte ihr der Bär. Sie sprang über Wurzeln und Äste. Dem Bär konnte sie nicht entkommen. Helomees Beinchen wurde langsam müde und die Puste ging ihr aus. Die Würstchen waren nicht mehr warm. Erschöpft blieb Helomee stehen, stützte sich mit ihren Ärmchen auf die Knie und rang nach Luft. Der Bär, welcher ebenfalls mit seiner Erschöpfung zu kämpfen hatte, holte sie nun ein. Helomee überlegte, ihm ihre Würstchen hinzuhalten.  Ob sie ihre Würstchen opfern und den Bären damit bestechen könnte, ihr Leben zu verschonen? Sie konnte sich mit diesem Gedanken nicht recht anfreunden. Der Bär war nur noch wenige Schritte entfernt. Sie sah keinen anderen Ausweg. Widerwillig streckte sie ihm den Würstchenspieß entgegen. Helomee drehte ihr Köpfchen zur Seite und schloß ihre Äugelein. Die Angst ließ sie in dieser Haltung erstarren. Sie konnte den Bären atmen hören. Er mußte direkt vor ihr stehen. Aber, es passierte nichts weiter.

 

Nach einigen Sekunden, die sich für Helomee wie eine Ewigkeit anfühlten, siegte ihre Neugier. Sie öffnete die Äugelein und drehte langsam ihr Köpfchen gerade. Was sie nun sah, erfüllte sie mit Erstaunen. Der Bär verwandelte sich in einen bärtigen, großen Mann. Der schnaufte und schnaufte, weil die Verfolgung auch ihm viel abverlangt hatte. Helomee hatte schon von Bärenmenschen gehört. Die Erzählungen hatten aber eher den Charakter von Märchen oder Sagen. Nachdem beide wieder etwas Luft bekamen, sprach der Bärenmann. "Sei mir gegrüßt!" Seine höfliche Begrüßung paßte nicht zu dem Bild, daß sie bis vor wenigen Augenblicken noch von ihm hatte. "S... sei mir auch gegrüßt!" Stammelte sie hilflos. Da der Bärenmann nicht angriff, schöpfte sie wieder Hoffnung. "M...magst vielleicht ein Würstchen?" Der Bärenmann, noch immer etwas außer Atem, nickte wortlos. Er griff mit seiner riesigen Hand nach einem Würstchen, zog es vom Spieß und begann zu essen. Helomee hatte noch immer fürchterlichen Hunger. Die Erschöpfung ihrer Flucht und die Schmatzgeräusche des essenden Bärenmannes, ließ ihr Bäuchlein laut und lange knurren. Der Bärenmann, hielt inne, blickte zu Helomee und fragte mit einem schmunzeln. "Du wirst mich doch nicht verspeisen wollen, oder?" Nun lachten beide. Helomee war erleichtert, daß der Bärenmann Humor hatte. Davon überzeugt, daß er keine Gefahr für sie darstellt, mampfte sie gierig die kalten Würstchen und gab den Bärenmann ein weiteres ab.

 

"Nanuq ist mein Name. Deine Bratwürstchen riechen so lecker, darum war ich zu dir gekommen." Brummte er mit versöhnlicher Stimme. "Warum hast du mich so erschreckt?" Fragte Helomee den Bärenmann. "Als ich vor dir stand, bin ich auf deine Gabel getreten. Das trat ganz schön weh." Antwortet Nanuq mit wehleidiger Stimme. "Und wozu hast du getanzt, nachdem ich weggelaufen bin? Es sah aus, wie ein Freudentanz." Hakte Helomee mißtrauisch nach. "Getanzt? Ich habe doch nicht... ach, ich verstehe. Das heiße Wasser aus deinem Kessel habe ich auf den Fuß bekommen. Erst die Gabel und dann das heiße Wasser, ich dachte das war Absicht von dir. Fallen, wenn du so willst." Klagte der Bärenmann sein Leid. "Und ich habe gedacht, du willst mich fressen. Du kannst dich doch nicht so anschleichen, wenn ich gerade eine Mahlzeit zubereite! Die Gabel und das heiße Wasser waren keine Absicht. Du hast mich eben erschreckt. Und kleine Purzel erschrecken gehört sich nicht!" Wetterte die kleine, welche ihren Mut wiedergefunden hatte. "Hm ja, das tut mir auch Leid. Deine Würstchen rochen nur so unglaublich gut." Entschuldigte sich Nanuq. "Ist schlimm, mit deinem Fuß?" Fragte Helomee mitfühlend. "Nein, jetzt geht es schon wieder. Ich habe mich auch mehr erschreckt, als daß es wehtat." Beruhigte er die Kleine.

 

"Was hast du dort im Wald gesucht?" Fragte Nanuq das Purzel. "Ich... ääääm... nunjaaa.." Stammelte sie, um Zeit für eine Ausrede zu gewinnen. Ihr wollte aber keine Ausrede einfallen. Sie formulierte ihre Antwort wie eine Frage. So gab sie zögerlich zu. "Ich war auf Bärenjagt?" Der Bärenmann brach lauthals in Gelächter aus. "Bärenjagt!" Wiederholte er spöttisch. "Du weißt schon, daß es bei einer Bärenjagt nicht darum geht, von einem Bären gejagt zu werden?" Helomee schaute etwas beleidig. Da der Bärenmann sie zu Recht auslachte, ertrug sie wortlos seinen Spott. Nanuq lachte noch immer und berichtet Helomee, daß er auch auf Bärenjagt sei. Ihm sei zu Ohren gekommen, daß ein großer Bär mehrfach in Siedlungen kleiner Hobbits gesehen wurde und sie bedroht. Nanuq wollte diesen vertreiben, damit er nicht Opfer eines Jägers würde. "Dann bist du mir nicht böse, daß ich den Bären jagen wollte?" Fragte sie erleichtert. "Du hast großes Glück, daß du ihm nicht begegnet bist. Nein, ich bin dir nicht böse. Wenn du möchtest, werde ich dich lehren, Spuren zu lesen und dich in der Wildnis zurechtzufinden, damit du nicht Opfer deiner Beute wirst." Helomee war begeistert. Sie hatte ihren ersten Bären gefangen, denn das war der Beginn ihrer Freundschaft.

 

Helomee lud den Bärenmann ein, bei ihr zu wohnen. Dort stärkten sie sich und brachen am folgenden Tag erneut auf, um den Bären zu jagen. Nanuq rang ihr das Versprechen ab, den Bären nicht zu bekämpfen, solange er sie nicht angreift. Nanuq wollte erst versuchen, ihn zu überzeugen, Siedlungen zu meidet. Sie suchten Fährten, lauschten und beobachteten. Helomee lernte eifrig, was der Bärenmann ihr beibrachte. Er lehrte sie nicht nur die Jagt, sondern auch den Respekt vor dem Leben der Tiere. Helomee lernte, daß Tiere nicht nur Futter für hungrige Purzel sind.

 

Nachdem sie zwei Tage einer Bärenfährte gefolgt waren, erblickten sie den riesigen Bären. Er war narbig und grimmig. Genau, wie die Grenzer ihn beschrieben hatten. Er bewegte sich gerade wieder in die Nähe einer Hobbitsiedlung und beobachtete seine Bewohner.  Nanuq hatte der kleinen Helomee erklärt, was sie zu tun hat, wenn sie ihn finden. Sie versteckte sich in einem Busch und beobachtete aufmerksam das Geschehen. Nanuq ging auf den Bären zu. Der Bär griff sofort an und brüllte ohrenbetäubend. Die Beiden kämpften einen Moment miteinander, als sich Nanuq in einen Bären verwandelte. Der grimmige Bär unterbrach den Kampf, als ob er nicht gegen seinen Bruder kämpfen wollte. Nun verwandelten sich beide in Menschen. Helomee war sehr aufgeregt, verhielt sich aber ganz still in ihrem Versteck. Die beiden Bärenmänner stritten miteinander, doch konnte Helomee ihre Worte nicht verstehen, weil sie zu weit entfernt war. Plötzlich griff der fremde Bärenmann erneut an und der Kampf flammte wieder auf. Beide verwandelten sich in Bärengestalt und prügelten aufeinander ein. Es hatte den Anschein, daß sie ebenbürtige Gegner waren. Nun war es an Helomee, den Kampf zu entscheiden. Ihre Aufregung war groß. Sie wollte nicht versehentlich ihren Freund treffen. Pfeil um Pfeil schnellte aus ihrem Versteck hervor. Jeder traf genau und sicher sein Ziel, bis der grimmige Bär zu Boden ging und regungslos liegenblieb. Seine Bärengestalt änderte sich  nicht, als er starb.

 

Nach dem Kampf eilte Helomee zu Nanuq. "Geht es dir gut?" Fragte sie besorgt. Er sprach mit trauriger Stimme ohne auf ihre Frage einzugehen. "Er war mein Bruder. Er achtete das Leben anderer nicht. Er glaubte seine Stärke gebe ihm das Recht sich alles zu nehmen, was er begehrt." Helomee wollte irgendetwas sagen, um seine Traurigkeit zu zerstreuen. "Bist du nicht froh, daß du überlebt hast?" Darauf antwortete er. "Doch, natürlich! Er war ein äußerst mächtiger Bär." Nach einem kurzen Moment in Gedanken sprach er weiter. "Du bist sehr geschickt mit deinem winzigen Bogen. Deine Stärke hat den Sieg errungen." Helomee lauschte gebannt den Worten, ihres Freundes. "Aus seinem Kopf, werde ich dir einen Helm fertigen, der dir als Trophäe dienen soll. Einen Bruder habe ich verloren, aber dich als Freundin gewonnen. " Mit Pathos in der Stimme nannte er seine neue kleine Freundin."Helomee, Jägerin des grimmigen Bären."

Faramee Blümchenfee
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